IPGarten buchen

Zu einem sehr, sehr anderen Thema

Was haben wir als IPGarten damit zu tun? Nun, zunächst einmal gar nichts.
Doch dann wieder sehr viel! Zwar betrifft dieses humanitäre Verbrechen nicht unsere landwirtschaftlichen und betrieblichen Aktivitäten, aber sehr wohl unser Gewissen, gerade als gemeinwohlorientierter Betrieb! Unserer Überzeugung nach geht nämlich Gemeinwohl deutlich über den eigenen Tellerrand hinaus. Daher möchten – nein, müssen wir auf unsere Ausstellung aufmerksam machen, die uns und den Teams der Malzfabrik sehr am Herzen liegt! Und die wir selbst organisiert haben!

Wir, Martin Kruszka und Boris Wiesmayr, wollten im September noch nach Moria reisen, um vor Ort im Lager sanitäre Anlagen zu reparieren. Doch dann brannte am 9. September bekanntlich das gesamte Lager nieder. Wir waren dennoch in Moria, aber anstatt für fließendes Wasser zu sorgen, konnten wir nur noch das abgebrannte Lager dokumentieren und mit geflüchteten Menschen und Helfer*innen aus dem neuen Lager Moria 2 bei Kara Tepe sprechen. (Kurzzeitig verhaftet wurden wir von der griechischen Polizei zwischendurch auch noch.) Kurz gesagt, die Zustände waren und sind vollkommen inakzeptabel. Das Elend der Menschen dort – darunter viele, viele Kinder – kann man in Worten gar nicht richtig wiedergeben. Doch wir waren dort und müssen berichten! Wir ertragen die Vorstellung nicht, unsere eigenen Kinder wären dem ausgesetzt.

Die Initiative
In Zusammenarbeit mit der großartigen Fotografin und Aktivistin Alea Horst, der Berliner Malzfabrik und dem IPGarten ist eine multimediale Ausstellung in den riesigen Hallen dort entstanden. Unter dem Motto Menschlichkeit und Hoffnung werden in der FÜR ALLE BESUCHER*INNEN KOSTENLOSEN Ausstellung Bilder, Filme und Texte von Alea Horst gezeigt. Töne aus dem Lager, aber auch Bilder und Filme anderer Orte dieser Welt sowie die Nachstellung eines Zeltes und Exponate vom „Friedhof der Rettungswesten“ sollen aufrütteln, die Herzen bewegen und zum Nachdenken anregen. Eigentlich sollte die Ausstellung schon am Montag, dem 16. November eröffnet werden, aber bedingt durch Corona mussten wir diesen Termin verschieben. Weitere Infos findet ihr auf www.postauslesbos.de sowie in der Pressemitteilung der Bezirksbürgermeisterin von Berlin Tempelhof-Schöneberg.

Es ist keine beschauliche Vernissage und kein Entertainment, sondern die Konfrontation mit einer europäischen Wirklichkeit, die buchstäblich jetzt stattfindet – seit Jahren, Monaten, Tagen und Stunden. Wir können die Zustände auch und gerade vor Weihnachten nicht verschweigen. Die Menschen aus diesen Lagern wären froh, man böte ihnen den Komfort des Stalls zu Bethlehem.
Die vielen geflüchteten Menschen können ihre Notlage nicht hörbar hinausschreien. Wir fühlen uns verpflichtet, ihren Stimmen stellvertretend Gehör zu verschaffen. Wir wollen ihnen ein wenig Zuversicht geben, dass sie nicht vergessen werden. Wir wollen, dass die EU zu ihren ununterbrochen verkündeten humanitären Werten auch tatsächlich steht!

Einblicke in Moria und Moria 2: ein politisch gewolltes Menschenrechtsverbrechen und eine europäische Katastrophe
Die Menschen dort, darunter wie gesagt tausende von Kindern, wurden praktisch nur umgelagert. Nach bis zu fünf Jahren Lagerexistenz sind sie perspektivlos und haben Angst, die Lager niemals wieder verlassen zu können. Ihren Alltag verbringen sie an Essensausgabe-Schlangen. Verlassen sie das Lager, riskieren sie den Verlust der 24-Stunden-Ration. Sinnvolle Beschäftigungen werden ihnen verweigert oder durch Schikanen unmöglich gemacht. Selbstbeschulung in Eigeninitiative ist verboten! Kranke werden von Ratten gebissen, mehr als die Hälfte aller Insassen leidet unter schlimmen Hautkrankheiten. Es gibt keine Duschen! Zwar ziehen sich die Frauen nachts aus Angst vor Vergewaltigungen keine Windeln mehr an, aber auf die Toiletten trauen sie sich dennoch nicht. Bei Regen stehen die Zelte unter Wasser. Viel zu wenige kümmern sich um die Menschen. Medikamente und medizinisches Material haben sie kaum. Die Liste des Elends findet kein Ende.

Unsere Ausstellung macht dies so spürbar, wie es Bilder und Töne nur können. In den kalten, riesigen Hallen der ehemaligen Mälzerei hängen an nackten Wänden Bilder des Elends und Bilder der Widerstandskraft. Menschen im Dreck, in engen Zelten, Menschen ohne Linderung in brütender Hitze. Ein Querschnittsgelähmter, der sein Zelt nicht verlassen kann, auch wenn es in seiner kleinen Hölle 50 Grad heiß wird. Menschen ohne Schutz in feuchter, schneidender Kälte, die der Seewind immer wieder durchnässt, Tag und Nacht. Menschen, die stundenlang für die einzige Mahlzeit des Tages anstehen müssen. Menschen, die sich nicht waschen können, die kaum Toiletten haben. Menschen unter nie endendem Lärm, Tag und Nacht.

Menschen in unbeschreiblichem Gestank. Die Ausdünstungen aus Schweiß, dreckiger Kleidung, Fäkalien, Urin und Abfällen lassen sich weder beschreiben noch in eine Ausstellung bringen. Sieht man den Müll und den Dreck, kann man jedoch eine Ahnung davon in sich aufsteigen lassen, wie es dort, wo die Bilder gemacht wurden, wirklich zugeht.
Und doch, trotz alledem: Auch die Bilder spielender, lachender Kinder sind echt! Und nicht nur Kinder, auch Erwachsene, die aus wer weiß welchen Quellen Lebensmut schöpfen, gehören zur Beschreibung dazu. Ja, da sind Gebrochene, die jede Hoffnung verloren haben. Doch da sind auch welche, die innerlich noch nicht vernichtet sind, die mitten in der Hölle noch Freundlichkeit und Lachen aufbringen. Wir sind es allen dort, aber nicht zuletzt den Kindern schuldig, dass ihre Lebensfreude und Zukunft nicht im Nichts verschwinden!

Für diese Zustände gibt es Schuldige und Verantwortliche. Dort geschieht nichts, was nicht genau so gewollt, gewusst und beabsichtigt ist – schon vor dem Brand und auch jetzt. Das neue Lager Moria 2 bei Kara Tepe wurde auf abgeschirmtem Militärgelände mit Nato-Stacheldrahtzaun errichtet. Täglich bekommen wir Nachrichten über die Zustände vor Ort. Dort ist es teilweise sogar noch schlimmer als im alten Lager Moria. Was wir erfahren, zwingt uns zum Handeln.
Weil wir nun mal dort waren und das Unbeschreibliche mit eigenen Sinnen erlebt haben, musste dieser Newsletter auch so unüblich ausfallen. Wir sind zuversichtlich, dass ihr das nachempfinden könnt. Alle mögen sich eingeladen fühlen, sich für den Newsletter der KOSTENLOSEN Ausstellung einzutragen, damit ihr wisst, wann ihr diese in der Malzfabrik besuchen könnt. Hier nochmal der Link: www.postauslesbos.de